
Und hier geht das Abenteuer weiter:
Kapitel 2 – Entscheidungen – Teil 1
Im Nirgendwo
Tellurischer Novaraumer Sternenbestie
Kommandant Jairoum tan Lock
Ich stand in einer der transparenten Observatoriums- und Aussichtskuppeln der Sternenbestie und ließ die Schönheit des Alls auf mich einwirken. Das Schiff befand sich derzeit in den äußeren Regionen eines der Spiralarme einer unbekannten Galaxie. Die Sternendichte an diesem Ort war relativ gering. Es befand sich jedoch ein in vielen Farben des Spektrums leuchtender Nebel in der Nähe. Dieses Gebiet mit erhöhter Teilchendichte war von jungen, kurzlebigen Sonnen durchsetzt, die ihre Energien wild flammend in das All hinausschleuderten und dem Nebel dadurch sein faszinierendes Aussehen gaben. Es war ein grandioses Schauspiel !
Schließlich wandte ich mich um, ging ein paar Schritte und ließ mich in einem, der hier aufgestellten, bequemen Sessel nieder. Während ich weiter den Anblick des Nebels auf mich wirken ließ, vermochte ich, erstmals seit der Begegnung mit der Projektion, einigermaßen ruhig nachzudenken. Über mich, die Sternenbestie, meine Möglichkeiten. Über all das, was ich verloren hatte, und über das, was ich gewonnen hatte.
Talli, wie ich die Hologestalt und Manifestation der neuen »Über-KI« des Schiffes kurzerhand nannte, hatte mich auf meinen Wunsch hin durch fast alle Abteilungen des Schiffes geführt. »Sie« hatte mir geduldig alle meine Fragen zur Ausrüstung, den erlittenen Schäden und den durchgeführten Reparaturen und zu den aktuellen Möglichkeiten des Schiffes beantwortet. Nur ein geringer Teil davon war mir bisher bekannt gewesen. Einem Kämpfer vierter Klasse brachte man nicht bei, wie ein riesiges Raumschiff funktionierte, und was alles dazu erforderlich war um einen reibungslosen Betrieb aufrecht zu erhalten.
Talli hatte mir versichert, dass sie als die neue KI des Schiffes im Verbund mit allen Hilfssystemen durchaus dazu in der Lage sei, die Sternenbestie zu steuern, selbständig zu navigieren und auch kritische Situationen, wie ein kleineres Gefecht, zu meistern. Um das ganz Potential des Schiffes nutzen zu können, brauchte man aber eine kleine, entsprechend ausgebildete Besatzung. Bei aller Automation und unter Verwendung der zahlreich vorhandenen, mobilen Robotereinheiten, gab es doch immer noch Aufgaben, die organische Besatzungsmitglieder intuitiv schneller oder effektiver erledigen konnten. Nun konnte ich mich einzelne Person zwar nicht als „Besatzung“ bezeichnen, aber ich wollte wenigstens über die Dinge an Bord hinreichend unterrichtet sein. Schon allein deshalb, um mich hier und da nützlich zu machen zu können. Das mich das neue Zentralgehirn des Schiffes als Commander anerkannte, war mir zwar recht, aber ausfüllen konnte ich diese Rolle noch lange nicht.
Talli hatte mir auf meine diesbezüglichen Fragen hin erklärt, dass der Zellstruktur, die letztendlich das Schiff jetzt steuerte, bereits eine unauslöschliche Grundprogrammierung – oder wie sie es nannte »Prägung« – bei der Entstehung mitgegeben wurde. Dazu gehörte auch eine genau definierte Kommandostruktur. So hatte sich die KI stets dem jeweils ranghöchsten tellurischen Besatzungsmitglied an Bord unterzuordnen, solange sich dieses nach ebenfalls genau definierten Richtlinien als zurechnungsfähig erwies. Nun, da es außer mir keine organischen Besatzungsmitglieder mehr an Bord der Sternenbestie
gab, hatte eben ich das »große Los« gezogen !
Da saß ich nun an Bord des größten, schlagkräftigsten und abgesehen von der fehlenden Besatzung wieder voll einsatzfähigen tellurischen Raumschiffes. Allein mit einer Neuentwicklung von KI, die mir zwar immer wieder versicherte, dass ich mich voll auf sie verlassen könne und sie mich bei allen meinen Bemühungen unterstützen würde, der ich aber immer noch ein gewisses Maß an Misstrauen entgegenbrachte. Ich wusste nicht, wo im All ich mich befand! Auch nicht, ob dies überhaupt noch das mir bekannte Universum
war. Und selbst wenn dem so war, so war es immer noch fraglich, ob ich mich auch noch auf meiner Zeitlinie befand. Alles Dinge, die sich im Zuge der Katastrophe und der damit einhergehenden Umstände vielleicht dramatisch verändert hatten. Was also sollte ich tun? Das war im Moment die Frage aller Fragen für mich.
Ich ließ mir von einem dienstbaren, robotischen Geist ein leicht alkoholisches Erfrischungsgetränk bringen und fuhr in meinen Überlegungen fort. Aus den bekannten Gründen war also an eine Rückkehr nach Tellur nicht zu denken. Dennoch wollte ich die Suche nach meiner Heimat, dem tellurischen Imperium, als primäres Ziel im Kopf behalten. Dann war da die Zeitfrage. Nach Tallis Aussage hatte sich meine durchschnittliche Lebenserwartung von zweihundertfünfzig tellurischen Jahren drastisch erhöht. Wenn ich diesen Aspekt bei aller persönlichen Freude pragmatisch betrachtete, dann ließ sich daraus ableiten, dass ich eine ziemliche langfristige Planung für meine Suche vornehmen konnte!
»Bei allen Sternengöttern, was mache ich bloß?!« Ich war aufgesprungen und hatte dabei mein Glas umgestoßen. Sofort erschien ein schwebender Miniroboter, säuberte den Boden und räumte das Glas weg. Ich zwang mich, tief durchzuatmen und konnte plötzlich viel freier denken. Dann traf ich meine ersten Entscheidungen.
Die primäre Aufgabe würde also die Suche und die Rückkehr nach Tellur sein. Da sich dieses zurzeit nicht verwirklichen ließ, musste ich dieses Vorhaben in den Hintergrund stellen und mich anderen primären und sekundären Zielen zuwenden. Das Beste war es wohl, zunächst einmal mein bisheriges Leben zurückzustellen und meine derzeitige Situation als großes Abenteuer und Herausforderung zu begreifen. Um diese bestehen zu können, musste ich mir so viel Wissen wie irgend möglich aneignen. Also würde ich demnächst viel Zeit unter den Hypnoschulungsgeräten in der Ausbildungsabteilung der
Sternenbestie verbringen. Ich würde mir dort zunächst einmal alles aneignen, was es über den Betrieb eines Raumschiffes wie der Sternenbestie zu wissen gab. Dann wollte ich vor allem auch meine wissenschaftlichen Kenntnisse erweitern. Gleichzeitig sollte sich das Schiff unter der Führung von Talli auf die Suche nach einem »sicheren Hafen«, quasi einer Basis für zukünftige Unternehmungen machen. Dabei dachte ich an einen rohstoffreichen Mond, Asteroiden oder vorzugsweise einen für meine Spezies geeigneten Planeten. Die
Sternenbestie hatte zwar Vorräte an Bord und eine Wartung des Schiffes und seiner Antriebsaggregate stand standardmäßig erst nach einer zurückgelegten Flugstrecke von etwa 50 Millionen Lichtjahren an, aber ich wollte in diesem Punkt auf der sicheren Seite sein, zumal ich mir gar nicht so sicher war, ob diese Vorgaben nach den überstandenen Belastungen noch Gültigkeit hatten. Außerdem hatte ich nichts dagegen, mich ab und an einmal auf der Oberfläche eines Planeten frei bewegen zu können. Das war also geklärt! Dann gab es noch das Problem der eingeschränkten Einsatzfähigkeit des Schiffes. Ich
brauchte eine ausgebildete, organische Besatzung für das Schiff. Aber woher sollte ich sie nehmen? Sollte ich auf die Suche nach anderen raumfahrenden Völkern gehen und einfach Besatzungsmitglieder anwerben und diese für den Betrieb der Sternenbestie ausbilden lassen? Ganz abgesehen von dem Risiko bei einer solchen Aktion auf eine überlegene oder in etwa gleichwertige Spezies zu stoßen, die meinen Interessen nicht gerade freundlich gesonnen sein mochte, gab es auch noch ein anderes Problem. Mit mehr oder weniger intelligenten Quallenwesen, die möglicherweise eine andere Atmosphäre und andere, für mich vielleicht unangenehme Umweltbedingungen benötigten war mir nicht gedient. Nein! Was ich brauchte, waren Wesen, die zum einen über eine körperliche Struktur ähnlich der meinen verfügten und zum anderen gerade so weit in ihrer Entwicklung fortgeschritten waren, dass sie mir nicht gefährlich werden konnten, aber dennoch brauchbare Partner bei der Suche nach meiner Heimat abgeben würden. Die Überlegung, mir entsprechende Wesen mit Hilfe von Psychostrahlern oder anderen Hypnose- und Suggestionseinrichtungen an Bord der Bestie gefügig zu machen, schob ich schnell wieder beiseite. Zwar hätte eine solche Maßnahme in vollstem Einklang mit der aktuellen, tellurischen Politik gegenüber technologisch unterlegenen Spezies gestanden, aber ein solches Verhalten entsprach einfach nicht meiner Mentalität. Zudem hatte sich früher schon oft genug erwiesen, dass Wesen, die nicht ihrem freien Willen folgten und zum Beispiel unter suggestivem Einfluss standen, keine optimalen Leistungen brachten. Als Idealfall stellte ich mir ein Volk vor, das hilfsbereit und wissbegierig, aus freiem Willen meine Suche unterstützte. Vielleicht ergab sich auch die Möglichkeit einer Spezies mit den Möglichkeiten der Sternenbestie aus einer Notlage herauszuhelfen. Zumindest vom moralischem Standpunkt aus betrachtet, hätte ich dann schließlich das Recht ebenfalls Hilfe zu erbitten. Ja, das konnte einen Versuch Wert sein!
Nachdem ich diesen Punkt geklärt hatte, blieb noch die Schwierigkeit, solch ein Volk ausfindig zu machen. Alles Weitere musste sich dann finden. Voller Tatendrang sprang ich auf und wollte die Kommandozentrale aufsuchen, da bemerkte ich die Hologestalt von Talli, die im Hintergrund scheinbar schon einige Zeit präsent gewesen war. Nach einem kurzen Moment der Überraschung sagte ich: »Ähm…, ich würde es begrüßen, wenn wir uns darauf einigen könnten, dass du als Inkarnation der KI nicht ständig überraschend in meiner Nähe auftauchst. Ich bin mir zwar im Klaren darüber, dass die KI, dass du überall im Schiffsinneren ständig präsent bist, aber meiner Psyche würde es ganz gut tun, wenn ich mich wenigstens manchmal unbeobachtet fühlen könnte.
Talli machte ein betrübtes Gesicht und antwortete: »Selbstverständlich, ich werde das Erscheinen meiner Holoprojektion Ihren Wünschen anpassen, Commander. Ich dachte nur, es wäre angenehm für Sie, auch visuell stets einen Ansprechpartner zur Verfügung zu haben, falls Sie mich benötigen.«
»Nett von dir Talli. Aber wir wollen uns darauf einigen, dass du in Zukunft erst erscheinst, wenn ich dich rufe oder die Situation es erfordert. Einverstanden?« Ich wunderte mich, wie schnell ich diese Holoprojektion der KI als eigenständiges Individuum akzeptierte. Aber wahrscheinlich war es für mich das Beste, Talli als Person anzusehen und sie auch so zu behandeln. Es würde mir gegen das Gefühl der Einsamkeit helfen, welches mir früher oder später sicher zu schaffen machen würde. Mit Tallis Hilfe würde ich diese Auswirkungen meiner erzwungenen Isolation zumindest hinauszögern können.
»Einverstanden!«, mit diesem Wort verschwand die Projektion. »Talli ?« Und da war sie wieder. Mit einem matten Grinsen fuhr ich fort: »Ich wollte dir noch etwas mitteilen.« Dann breitete ich meine Überlegungen vor Talli und damit der KI des Schiffes aus. Die Projektion zeigte alle äußeren Anzeichen einer Person, die von meinen Plänen angetan war und
machte sofort Vorschläge zu deren Umsetzung. Wir arbeiteten ein optimales Schulungsprogramm für mich aus. Dieses sollte mich in kürzester Zeit dazu befähigen, ein Schiff wie die Sternenbestie tatsächlich zu führen. Dann legten wir ein Suchraster fest, nach welchem die Sternenbestie vorgehen sollte. Es sollte sicherstellen, dass wir mit möglichst hohen Erfolgsaussichten die vielversprechendsten Regionen dieser Galaxis nach einer Zivilisation absuchen konnten, die meinen Vorstellungen entsprach. Ich gab der KI den Auftrag, in den bordeigenen Produktionsstätten ganz bestimmte Typen von Robotern
fertigen zu lassen, die sich in Zukunft als ausgesprochen nützlich erweisen konnten, und veranlasste, dass einer der noch an Bord befindlichen Raumjäger vom Typ Tsumitar nach meinen Wünschen umgerüstet wurde. Letzteres konnte ich mir einfach nicht versagen. Mein ganz persönlicher Raumjäger! Das war schon immer mein Traum gewesen. Zwar war ich jetzt de facto Kommandant eines riesigen Schlachtschiffes und hatte damit ganz andere Möglichkeiten, aber ich war dennoch mit Leib und Seele Jägerpilot. Und das würde
ich im Grunde meines Herzens wohl auch bleiben. Ich hatte die Chance es zu tun – also tat ich es! Schließlich hatte diese Maßnahme auch einen praktischen Hintergrund. Falls es sich als notwendig erweisen sollte, die Bestie in einem Beiboot zu verlassen, dann wäre dies ein Schiff, das ich auch ohne zusätzliche Schulungen wie im Traum beherrschen würde. Mein eigener Raumjäger sollte jedoch über weitere Fähigkeiten verfügen als eine normale „Tsumitar“. Von stärkeren Schutzschirmprojektoren über eine einfache Steuerung bis hin zur Erhöhung der Reichweite fielen mit da etliche Dinge ein! Talli und ich stellten die primären und sekundären Ziele unserer Mission in einer Art Prioritätenliste zusammen. Danach machte Talli noch einige zusätzliche Vorschläge für Maßnahmen, die zur Sicherheit der Sternenbestie und zur effizienteren Gestaltung des Schiffsbetriebs ohne reguläre Besatzung beitragen würden, die ich rundweg akzeptierte. Dann hatte ich erst einmal genug davon, Entscheidungen zu treffen und zog mich in die ausgesprochen luxuriöse Unterkunft des Kommandanten zurück, um noch einmal in Ruhe darüber nachzudenken, was mir widerfahren war und eine Nacht darüber zu schlafen!
Die nächsten Bordtage flogen nur so an mir vorbei wie die Lichtjahre an einem Raumschiff. Regelmäßige Hypnoschulungen wechselten sich ab mit Erholungsphasen, um meinem Gehirn die Möglichkeit zu geben, die Mengen des neu erworbenen Wissens einigermaßen zu verarbeiten. Immer wieder erhielt ich die Gelegenheit das neue Wissen in praktischen Übungen zu erproben und zu festigen. Schließlich waren da noch die regelmäßigen Besprechungen mit Talli, die mir über den Zustand des Schiffes, den Fortschritt der Arbeiten und nicht zuletzt über den Stand der Suche nach intelligentem Leben in diesem
Sektor der unbekannten Galaxis Bericht erstattete. Der ausbleibende Erfolg in diesem letzten Punkt ließ mich ungeduldig werden. Ich sagte mir jedoch immer wieder, dass so etwas eben seine Zeit brauche und wartete ab. Schließlich kam jene Besprechung mit Talli, die einiges veränderte. Ich hatte gerade wieder eine der Übungen beendet, bei der es sich diesmal um eine Gefechtssimulation zwischen Großkampfschiffen gehandelt hatte, als
es auch schon Zeit für den täglichen Rapport von Talli wurde. Ich begab mich in einen nahegelegenen Erholungsraum und rief Talli herbei, deren Hologestalt wie gewohnt blitzschnell vor meinen Augen materialisierte. Wir setzten uns in eine Sitzgruppe mit einem kleinen Tisch und Talli begann:

Der Autor bedankt sich bei seinen Lesern und bittet alle, denen es möglich
ist und denen das Buch gefällt, bei ihren jeweiligen Verkaufsportalen oder an
jedem anderen passenden Ort eine Rezension über das Buch zu verfassen. Für
selbstständige Autoren sind aussagekräftige Rezensionen ihrer Leser das beste
Mittel, bekannt zu werden und ihre Werke zu vermarkten.
Aber auch diejenigen, die Kritik anzubringen haben, sind willkommen.
Schreibt gern eure Kommentare auf der Homepage oder im Blog.
„Die Sterne mit euch!“
