
Und hier geht das Abenteuer weiter:
Kapitel 3 – Der Abgesandte – Teil 1
Sphäre des Untergangs
Planet Te’naht
Dujan von den Ajarden – Der Abgesandte
Mein Name ist Dujan von den Ajarden. Aber dies ist nicht mehr von
Bedeutung, denn heute ist der Tag meines Abschieds von meiner
Heimat. Und so werde ich mich fortan nennen dürfen, wie nur ganz
wenige meines Volkes: Abgesandter! Dieser Titel ist Name, Bezeichnung und
Sinn meiner künftigen Existenz zugleich. Es ist die höchste Ehre, die einem
Ajarden zuteil werden kann!
Die Ajarden! Mein Volk ist die älteste überlebende Art in unserem erkaltenden
Universum, das wir seit Urzeiten »N’dschart dar Almensis« nennen,
was soviel bedeutet wie: »Sphäre des Untergangs«. Schon vor Äonen stellten
Wissenschaftler meines Volkes fest, dass wir in einem sterbenden Universum
existierten. Der Energiehaushalt unseres Universums befand sich bereits
damals in einem erschreckenden Zustand. Nicht nur einzelne Sonnen,
nein, ganze Galaxien waren erkaltet oder erloschen ! Die Prozesse, die zum
Entstehen neuer Sterne, Sonnensysteme oder sogar neuer Galaxien führten,
waren fast gänzlich zum Erliegen gekommen. Und auch wenn meinem Volk
damals schon bewusst war, dass es wahrscheinlich noch Millionen von Planetenjahren
dauern würde, bis der finale Kollaps das Licht dieses Universums
ganz verlöschen lassen würde, so war dies doch der Zeitpunkt, an welchem
sich ein grundlegender Geisteswandel bei fast jedem Mitglied meiner Art zu
vollziehen begann.
Wir hatten weite Teile dieses Universums erobert und beherrschten diese.
Von unserer inzwischen längst zerstörten Heimatwelt aus waren die ersten
Ajarden hinaus ins All gezogen, wo sie sofort damit begonnen hatten, andere
Völker und Welten zu erobern. In den Genen unserer frühesten Vorfahren
– jener robusten Reptilienabkömmlinge – war der Drang zur Ausbreitung
und Vermehrung übermächtig. Die unglaubliche Fruchtbarkeit der damaligen
Ajarden machte den Schritt ins All und in andere Welten umso notwendiger.
Wollten sie sich nicht gegeneinander wenden, so mussten sie sich den Raum
zum Leben dort nehmen, wo immer dies möglich war. Vor allem in den ersten
Jahrhunderten unseres Aufbruchs in den Kosmos leisteten die Ajarden
einen hohen Blutzoll. Auch unsere Heimatwelt verging beim Gegenangriff
einer ebenbürtigen Spezies in einem atomaren Feuersturm. Doch da war es
bereits zu spät für unsere Widersacher. Zu viele Ajarden hatten bereits andere
Welten überschwemmt. Weiter und immer weiter verbreitete sich meine Art.
Schließlich lebten in unserer Heimatgalaxis nur noch wenige andere intelligente
Spezies. Hauptsächlich in den Welten, deren Umweltbedingungen für
die Ajarden unverträglich waren.
Der nächste Schritt war nur zu logisch. Wir ließen die Grenzen unserer
Galaxie hinter uns. Technik und Wissenschaft waren herangereift und ließen
uns nach fernen Sternensystemen greifen. Selbstverständlich stießen wir auch
in anderen Galaxien auf Widerstand. Doch wo auch immer der Gegner übermächtig
schien, wurde er über kurz oder lang überrannt von Ajarden. Der
Nachschub an eroberungsfreudigem Leben aus den überbevölkerten Welten
unserer eigenen Galaxie war einfach zu groß. Geburtenkontrolle oder gar die
freiwillige Beschränkung der eigenen Vermehrung waren nie als mögliche
regulierende Maßnahmen in Betracht gezogen worden. Gerade in jenen Zeiten
galt die Größe der eigenen Nachkommenschaft als höchstes Gut. Religiöse
Aspekte spielten dabei eine weitere Rolle.
So ging es weiter und weiter. Während Galaxie nach Galaxie von ajardischem
Leben vereinnahmt wurde, stießen wir auf die ersten Cluster verloschener
Sonnen, erkalteter Planetensysteme. Für uns stellten diese Konzentrationen
von offenbar vor ihrer Zeit verfallenen Systemen etwas Neues
dar. Alsbald aber wurde dieses Novum zur Regel. Schließlich stießen wir auf
eine komplette Galaxie in der Todesstarre. Das gesamte Sternensystem war
erkaltet. Nicht eine Sonne glomm mehr in jenem Bereich des Alls. Eine Ungeheuerlichkeit! Normalerweise führten das Verlöschen oder die Explosion
von Sternen immer wieder zur Entstehung neuer Sonnen. Von den untergehenden
Sternen ins All hinausgeschleuderte Materie und Energie ballte sich
wieder zusammen. Ein Funke zündete. Ein neues Licht im Universum wurde
geboren. Es gab einen Kreislauf von Vergehen und Entstehen. Nicht so jedoch
in jenen Bereichen des Weltraums, in die wir nun immer häufiger vorstießen.
Keine neuen Sterne wurden geboren. Singularitäten – als schwarze Löcher
im All bekannt – waren nicht vorhanden. Alles erkaltete und starb. Selbst die
Bezeichnung »lebensfeindlich« beschrieb diese Gebiete nur unzureichend.
Wir aber waren das Leben! Nichts konnte unserer Natur feindlicher oder
gegensätzlicher gegenüberstehen. So begannen wir das Phänomen zu erforschen.
Schließlich der Schock! Wir erlangten Gewissheit darüber, dass der
Energiehaushalt unseres Universums gestört war. Die Folge hieraus schien
unabwendbar. Weit vor ihrer Zeit würden nicht nur immer mehr Sonnen
und ganze Sternensysteme verlöschen – unser ganzes Universum war dabei
zu erkalten.
Das war der Wendepunkt! Das Umdenken begann. Wir zogen uns immer
mehr zurück, überließen jüngeren, ahnungsloseren Völkern das Terrain. Und
eben zu diesem Zeitpunkt schwand auch die unglaubliche Fruchtbarkeit unseres
Volkes. Erstmals seit der Entstehung unserer Art ging die Zahl der Individuen
zurück. Millionen Jahre später lebten nur noch einige hundert Milliarden
Ajarden über das von uns erforschte Universum verstreut. Schließlich zogen
sich die Ajarden fast ganz von der kosmischen Bühne zurück. Meine Artgenossen
ließen sich in einigen wenigen, gut versteckten und geschützten Welten
nieder. Sie kapselten sich weitgehend vom Geschehen in diesem Universum
ab. Auf geistiger Ebene begann die Suche nach dem wahren Sinn unserer
Existenz. Wir konzentrierten uns immer mehr auf uns selbst und versuchten
eine Klarheit des Geistes und des Wissens zu erreichen, die es uns ermöglichen
sollte, die ultimative Erkenntnis über Grund und Ziel des Daseins zu erlangen.
Nach weiteren Jahrmillionen der Suche, vielen Irrungen und dem Beschreiten
falscher Wege scheiterten wir schließlich! Die ultimative Erkenntnis schien
nicht erreichbar zu sein. Es begann das große Sterben.
Als schließlich die vergeistigten, kaum noch auf ihre physische Existenz
bedachten Wesen, die wir geworden waren, kurz vor dem völligen Aussterben
standen, bäumte sich der in unseren Genen angelegte Überlebenswille
noch einmal auf. Einige meiner Art erlebten so etwas wie ein Erwachen aus
einer tödlichen Lethargie. Sie begannen, sich wieder für die Realitäten des
physischen Daseins zu interessieren. Nun sammelten diese Ajarden die Reste
ihres über das Universum verstreuten Volkes um sich. Sie schufen an einem
Ort, der aller Wahrscheinlichkeit nach als einer der Letzten vom allgemeinen
Verfall betroffen sein würde, eine neue Heimat für die Ajarden. Die neue
Heimatwelt nannten sie »Te’naht«, was so viel wie »Hoffnung« bedeutet und
dieser Name hatte tatsächlich einen positiven Einfluss auf die neuen, nur noch wenige Millionen zählenden Bewohner.
Schließlich wurde das »Projekt Exodus« geboren. Mein Volk war sich
der Konsequenzen des Scheiterns der Suche nach der ultimativen Erkenntnis
bewusst und griff nun auf das ungeheure technische Potential unserer Vorfahren
zurück und machte sich unsere im Verlauf der vergangenen Millionen
Jahre erworbenen geistigen Fähigkeiten zu Nutze. Meine Artgenossen setzten
sich ein neues Ziel. Sie gaben ihrem Dasein einen neuen Sinn durch das
»Projekt Exodus«! Praktisch der gesamte Rest meines Volkes verschrieb sich
der Erfüllung eines phantastischen Planes, der die Sehnsüchte, Träume und
Hoffnungen einer ganzen Spezies doch noch realisieren sollte.
Ein alter, längst verworfener Plan zur Reise in andere Universen wurde
wieder aufgegriffen. Es dauerte nur kurze Zeit bis die Technologie zur Verfügung
stand, die eine solche Reise ermöglichte. Das große Problem war
jedoch, dass sich mit den geschaffenen Möglichkeiten keine Materie im klassischen
Sinn transportieren ließ, sondern nur reines Bewusstsein. Da sich
der Materietransport in absehbarer Zeit selbst mit unseren enormen technischen
und geistigen Fähigkeiten nicht realisieren lassen würde, standen
wir vor einer neuen Herausforderung. Wir mussten einen Weg finden, uns
selbst in einen körperlosen, geistigen Zustand zu versetzen. Eine Möglichkeit
schaffen, als reines, sich nicht verflüchtigendes Bewusstsein zu existieren
und trotzdem noch Einflussmöglichkeiten auf die materiell-körperliche Welt
zu behalten.
Es stellte sich heraus, dass dieses Unterfangen die größte Herausforderung
war, der sich das Volk der Ajarden je gestellt hatte. Zudem wurde uns klar,
dass nur ganz wenige von uns, die geistigen Voraussetzungen erfüllten, einen
solchen Prozess zu überstehen und schließlich die Reise in andere Universen
und Dimensionen anzutreten. Nachdem wir dies erkannt hatten, lenkten wir
die physische und vor allem die psychische Entwicklung unseres Volkes mit
allen zur Verfügung stehenden Mitteln in Bahnen, die das Entstehen möglichst
vieler Individuen ermöglichten, welche über die erforderlichen Eigenschaften
verfügten. Die vielfältigen, auch gentechnischen Manipulationen
unserer Art hatten zur Folge, dass immer weniger Ajarden geboren wurden
und auch die durchschnittliche Lebenserwartung auf wenige hundert Jahre
sank. Aber das eigentliche Ziel wurde erreicht. Unter etwa tausend Ajarden
fand sich nun einer, der die erforderlichen Voraussetzungen aufwies, die ihn
dazu befähigten, die Umwandlung zu vollziehen und die Reise anzutreten,
also ein Abgesandter zu werden!
Abgesandter! Fast konnte ich es immer noch nicht glauben, dass ich das
Ziel tatsächlich erreicht hatte. Aber ich brauchte nur mein Auge zu öffnen
um festzustellen, dass ich mich in der »Kammer der Ruhe« befand. Jenem
Raum, in welchem sich die auserwählten Ajarden zur letzten Meditation zurückzogen,
bevor der Ritus des Übergangs vollzogen wurde und sie als Abgesandte
ihre Reise ins Unbekannte begannen. Mit Hilfe meiner telekinetischen
Kräfte ließ ich meinen Körper von dem Lager, das mir als Ruhestätte gedient
hatte, aufsteigen. Ich schwebte vor ein energetisches Spiegelfeld, in welchem
ich mich völlig gelöst und in aller Ruhe betrachtete. Das grazile Wesen, mit
der durchscheinenden Haut hinter der die Organe sichtbar ihre Tätigkeit verrichteten,
hatte äußerlich so gar nichts mehr mit einem der relativ plumpen
Reptilienabkömmlingen zu tun, aus denen unsere Art hervorgegangen war.
Die zurückgebildeten, schwach wirkenden aber noch funktionsfähigen sechs
Extremitäten mit den jeweils vier schmalen Endgliedern. Der schmale Torso
mit dem auf einem langen Hals sitzenden, runden Kopf. Das in allen Farben
des Spektrums schillernde Auge, welches das Gesicht dominierte. Dies alles
und noch viele andere Details machten das Erscheinungsbild eines heutigen
Ajarden aus. Trotz unserer Entwicklung zum Geistigen hin, waren wir Ajarden
heute wieder sehr körperbewusst. Das Spiegelfeld in der Kammer der Ruhe
diente einem einzigen Zweck. Es sollte dem zukünftigen Abgesandten noch
einmal eindringlich klarmachen, dass die Zeit der körperlichen Existenz endgültig
vorbei war. Dann nämlich, wenn er sich entschloss, den letzten Schritt
zu tun. Die Kammer der Ruhe war die letzte Gelegenheit zur Umkehr. Aber
eine Umkehr hatte es bisher noch bei keinem der Kandidaten gegeben, die erst
einmal bis hierhin gelangt waren.
Ich schwebte zurück und ließ meinen Körper wieder auf das bequeme
Lager gleiten. »Es sich noch einmal anders überlegen?« Nein! Das war eine
Überlegung, die mir fremder schien, als all das Unbekannte, dem ich gegenüberstand.
Ich schloss wieder mein Auge und ließ mein bisheriges Leben vor
mir vorüberziehen. Die Eigenschaften, die einen Ajarden dazu befähigten,
Abgesandter zu werden, waren nicht sofort nach der Geburt eindeutig erkennbar.
Im Alter von ungefähr fünf Jahren konnte eine erste Vorauswahl getroffen
werden. Für die jungen Ajarden begann dann die Schulung, ein Training vor
allem ihrer geistigen Kräfte und Fähigkeiten. Ein halbes Ajardenleben konnte
dies dauern. Nämlich dann, wenn man wie in meinem Fall allen Anforderungen
gerecht wurde, und sich durch nichts von dem gesteckten Ziel abbringen ließ.
Viele der zunächst ausgewählten Kandidaten schieden in unterschiedlichen
Phasen und zu den unterschiedlichsten Zeiten aus dem Programm aus,
um sich fortan auf andere Weise dem großen Ziel der Ajarden zu widmen.
Schließlich blieben aus einer Gruppe von vielleicht fünfzig Ausgewählten nur
ein oder zwei Kandidaten übrig – manchmal auch keiner! Seit ich denken
und logische Zusammenhänge einigermaßen begreifen konnte, war ich von
dem Ziel beseelt Abgesandter zu werden. Dieses höchste Ziel in der Kultur der
Ajarden schien mir auch das einzig Erstrebenswerte in meinem eigenen Leben
zu sein. »Es sich anders überlegen?« Kein Gedanke daran.
Abgesandter zu sein bedeutete so viel. Es ging nicht allein darum, dem
Volk der Ajarden ein wie auch immer geartetes Überleben zu sichern. Nein,
es war viel mehr als das. Als Abgesandter trug man das gesamte Wissen und
die Weltanschauung der eigenen Art hinaus ins Unbekannte. Wo auch immer
ein Abgesandter auf seiner Reise durch die Dimensionen hingeführt wurde,
er versuchte mit seinen Mitteln darauf hinzuwirken, dass sich alles zum Besseren
– nach ajardianischer Sicht – änderte. Ob dies nun hieß, einer jungen,
sich entwickelnden Zivilisation mit ein paar Anstößen den Schubs in die »richtige
Richtung« zu geben, oder ob es gelang mittels indirekter Einflussnahme
kosmische Katastrophen zu verhindern. Abgesandte würden sich immer und
überall vor allem als Behüter des Lebens in all seinen Formen verstehen. Eine
Haltung und ein Bestreben, dem unsere frühen und unwissenden Vorfahren
kaum Verständnis entgegengebracht hätten. Doch seit die Ajarden erkannt
hatten, was mit ihrem Universum geschah, hatte sich eben auch in ihrer Geisteshaltung
ein grundlegender Wandel vollzogen.
Des Weiteren waren Abgesandte natürlich auch Forscher. Denn eines war
klar: So umfangreich das Wissen des Volkes der Ajarden auch war – es gab
immer etwas Neues zu entdecken! Und die Neugier ist einer der wichtigsten
Antriebe, die einen Abgesandten dazu befähigen in der unabschätzbaren Zeit
seiner Existenz als reines Bewusstsein immer weiterzumachen um vielleicht
irgendwann, irgendwo doch noch zu der ultimativen Erkenntnis über das
Sein zu gelangen. Dieser alte Drang, dieses Streben in der Seele der Ajarden
war immer noch vorhanden. Wegen unseres einstigen Scheiterns zwar in den
Hintergrund getreten, aber dennoch immer präsent.
An diesem Punkt meiner Überlegungen angekommen, spürte ich ihn
plötzlich ganz deutlich – diesen Drang. Ein Gefühl der Unruhe. Ich wusste,
die Zeit war gekommen. So erhob ich mich, diesmal unter Verzicht auf meine
telekinetischen Fähigkeiten, und schritt langsam auf das Transmitterfeld zu,
das mich zu dem Ort bringen würde, an welchem meine körperliche Existenz
endete und ich meine Reise ins Unbekannte antreten würde. Gebannte
Erwartung erfasste mich. Als ich vor dem Transmitterfeld kurz innehielt,
durchströmte mich eine in dieser Form noch nie erlebte Euphorie. Ich atmete
einmal kräftig ein, dann schritt ich offenen Auges durch das Feld!
Ich materialisierte in strahlend hellem Licht auf dem Platz der Erwartung.
Tausende meiner Artgenossen hatten sich auf dem riesigen Rund eingefunden,
um mich auf meinen letzten Weg in diesem Universum zu geleiten. Mit meinen
geschärften telepathischen Fähigkeiten vermochte ich jedoch weit mehr zu erfassen.
Ich spürte nicht nur die Anteilnahme der hier am Platz der Erwartung
Anwesenden. Ich versank förmlich im kollektiven Geist meines gesamten Volkes.
Es war überwältigend! Kein Ajarde, der nicht in diesem Augenblick wenigstens
in Gedanken mit mir verbunden war. Etwas benommen vom Ansturm der
positiven Gefühle schritt ich vom Rande des Platzes der Erwartung auf dessen
Zentrum zu, wo sich »die Maschine« befand. Ja, wir nannten sie einfach »die
Maschine«! Welch eine einfache Bezeichnung für den Gipfel der ajardianischen
Hochtechnologie! Aber die Einfachheit der Bezeichnung drückte doch zugleich
auch aus, welche Bedeutung das Volk der Ajarden diesem Stück Technik beimaß.
Letztlich drehte sich in unserer Kultur alles nur noch um die Maschine und um
den Zweck, dem sie diente. Während ich mich weiter dem Zentrum des Platzes
der Erwartung und damit dem Objekt meiner Überlegungen näherte, ging ich
im Geiste noch einmal durch, was mir nun bevorstand.
Nachdem der künftige Abgesandte die Maschine durch das prächtig ausgeschmückte
Portal betreten hatte, begab er sich ins »Shar Ri«, den Raum
der letzten Prüfung. Hier wurde ein letztes Mal von der Maschine überprüft,
ob der Kandidat alle physischen und psychischen Voraussetzungen erfüllte.
Auch ich würde mich hier in tiefe Trance versetzen, um mit Hilfe der Maschine
dann schließlich meinen Körper zu verlassen. Für diesen endete hier
der Weg. Meine physische Hülle würde konserviert und ins »Rach Na Tat«
gebracht werden. Jenem Ort, an dem die Hüllen derer verwahrt wurden, die
mir vorangegangen waren.
Die Maschine würde meinem Bewusstsein dann durch massive Aufladung
mit psychoenergetischer Energie Stabilität verleihen. Dieser Vorgang sorgte
dafür, dass sich das Bewusstsein nicht verflüchtigte und bewirkte eine Potenzierung
meiner parapsychischen Kräfte. Denn allein diese Kräfte würden es mir in
Zukunft ermöglichen, Einfluss auf meine physische Umgebung zu nehmen.
Zugleich ergänzte die Maschine mein Bewusstsein um das Wissensdepot,
in welchem sich das kumulierte Wissen meiner Spezies befand. Wann immer
ein Abgesandter sich einem Problem gegenüber sah, welches er mit eigenen
Kräften nicht zu bewältigen vermochte, konnte er so aus allen Erfahrungen
schöpfen, die je ein Ajarde gemacht hatte – konnte sich also aller Erkenntnisse
bedienen, die je von einem Mitglied des Volkes der Ajarden gewonnen wurden.
Dann kam das Finale! Die Maschine würde einen Tunnel durch Raum,
Zeit und Dimensionen schaffen. Einen schmalen Durchlass an einen Ort, den
die vielfältigen Variablen dieses Unterfangens bestimmten. Kein Abgesandter
wusste im Voraus, wo er sich am Ende seiner Reise befinden würde. Es
konnte ein ebenso trostloses, sterbendes Universum wie das Unserige sein.
Oder aber eine vor Leben berstende Stätte. Der Abgesandte konnte in einem
derart bizarren Raum abgesetzt werden, dass er darüber in kürzester Zeit den
Verstand verlor. Genauso gut war es möglich, dass er an einem Ort und in
einer Zeit kurz nach der Entstehung eines neuen, jungen Universums erschien.
Noch kein Leben würde sich regen und vielleicht erst nach Milliarden von
Jahren dort entstehen – oder auch niemals!
Auch für die Zurückgebliebenen gab es keinen Hinweis darauf, wohin die
Maschine ihren Passagier gesandt hatte. Es war ein reines Zufallsspiel. Nur
eines war sicher: Kein Abgesandter würde jemals an einem Ort oder auch
nur in der Nähe eines Ortes auftauchen, an dem bereits ein Abgesandter vor
ihm seine Reise beendet hatte. Dies war so unwahrscheinlich, dass es sich in
mathematischen Werten nicht mehr erfassen ließ!
Das Portal! Während ich im Hintergrund meines Bewusstseins die sich
steigernde Euphorie meiner Artgenossen wahrnahm, verharrte ich einen
Augenblick vor dem Eingang zur »Maschine«. Hier gedachte ich der beiden
größten Helden in der jüngeren Geschichte der Ajarden. Taraner Mantok und
Ivon Tin Zu! Diese zwei Ajarden waren unter den Tausenden von Abgesandten,
die den Weg durch die Maschine genommen hatten, bisher die einzigen,
die den Weg jemals zurückgefunden hatten.
Speziell in der ersten Zeit nachdem die Maschine ihre Tätigkeit aufgenommen
hatte, war es eine der wichtigsten Aufgaben eines Abgesandten zurückzukehren.
Zurückzukehren von wo und wann auch immer! Zwar wollte man
auch erfahren, was die Abgesandten von ihren Reisen zu berichten hatten,
aber in der Hauptsache würde die Rückkehr eines Abgesandten den letzten
und endgültigen Beweis erbringen. Den Beweis dafür, dass die Maschine ihre
Aufgabe wirklich erfüllte und sich alle Mühen meines Volkes lohnten.
Taraner Mantok und Ivon Tin Zu hatten diesen Beweis erbracht. Sie kehrten
aus zwei verschiedenen Universen zurück und berichteten von den unglaublichen
Dingen, die ihnen während ihrer Reise widerfahren waren. Die
Umstände schließlich, die es ihnen ermöglicht hatten zurückzukehren, waren
zur Grundlage der weiteren ajardianischen Forschung geworden. So waren wir
voller Hoffnung, dass es uns eines Tages gelingen würde, die Reise in fremde
Welten und Dimensionen zielgerichteter und vielleicht sogar
in körperlicher Form unternehmen zu können.
Taraner Mantok und Ivon Tin Zu aber waren, wie es ihrer Bestimmung
entsprach, schließlich wieder den Weg durch die Maschine gegangen. Diesmal
schon beim Eintritt reines Bewusstsein, hatten sie nur noch den letzten Schritt
vollziehen müssen und wurden wieder ins Unbekannte hinauskatapultiert.
Auf zu neuen Entdeckungen, zu neuen Wundern, die wo und wann auch
immer auf sie warteten.
Ich aber stand nun hier ganz am Anfang meiner Reise. Nach einem tiefen
Atemzug durchschritt ich das Portal und sandte einen letzten Gruß an meine
Artgenossen, deren Gedanken und Empfindungen ich im total abgeschirmten
Innern der Maschine nicht mehr empfangen konnte. Ja, es war soweit!
Das »Shar Ri« empfing mich mit gedämpftem Licht. Der runde Raum verjüngte
sich nach oben zu einem schmalen Dom von nicht abschätzbarer Höhe.
Das Rund an der Basis war mit Pneumokissen gepolstert, die unter meinen
nackten Sohlen leicht nachgaben. Mit wiegendem Gang ging ich dem Mittelpunkt
des Raumes entgegen. Auf einer podestartigen Erhöhung ließ ich mich
nieder und nahm die Haltung des »Shir ba« ein. Diese Haltung ermöglichte
die nun erforderliche, totale Entspannung meines Körpers. Dann begann ich,
meinen Geist zu leeren und zugleich zu öffnen. Diese Fähigkeit war eine der
Voraussetzungen dafür, sich als Abgesandter zu qualifizieren. Nur in diesem
Zustand völliger Entspannung, gedankenleer und mit weit geöffneten Sinnen
konnte der Übergang vollzogen werden. Jedes Zeitgefühl verlierend, verharrte
ich in Erwartung des Kommenden.
Langsam aber beständig schien die Helligkeit im Innern des »Shar Ri« zuzunehmen.
Ich meinte dies mit geschlossenem Auge wahrzunehmen.
Schließlich muss mich gleißendes Licht umgeben haben, als ich ein Geräusch,
wie von einem gewaltigen Gong, vernahm. Darauf unvorbereitet hielt ich meinen
Geist tapfer von weiteren Gedanken frei. Dies gelang mir auch bis die mich
umgebende Helligkeit einer noch nie empfundenen Dunkelheit wich. Meine
Konzentration brach abrupt ab und ich versuchte, mein Auge zu öffnen. Aber
nichts geschah! Die trotz aller Vorbereitungen aufkommende Panik kämpfte
ich mühsam nieder und versuchte, mich wieder in den vorherigen Zustand
zu versetzen. Da bemerkte ich, wie ein Gefühl intensiver Hitze in mir aufstieg.
Kurz bevor ich zu verbrennen glaubte, materialisierten sich plötzlich
die Bilder meiner Umgebung wieder in meinem Geist. Erleichtert musterte
ich das scheinbar tatsächlich in gleißendes Licht getauchte »Shar Ri« bis mir
einfiel, dass mein Auge ja immer noch geschlossen war. Als ich ruckartig nach
unten sah erblickte ich im selben Augenblick meinen Körper, der unter mir
auf den Pneumokissen lag. Es war vollbracht! Reines Bewusstsein! Aber die
letzte Prüfung? Ich hatte nichts bemerkt. Noch verwirrt vom Geschehen und
den auftauchenden Fragen ergriff ein starker Sog mein Bewusstsein. Diese
übermächtige Kraft ließ es den Dom hinauf zur Maschine aufsteigen. Mittels
meines neuen Wahrnehmungssinns bemerkte ich, wie mein Körper unter
mir zurückblieb. Dann war da nur noch Schmerz in meinem Geist und mein
Denken entschwand.
Als das Bewusstsein erwachte, war dies wie ein Schritt aus absoluter Schwärze
in die Dunkelheit. Ich meinte zu frieren und fühlte mich gleichzeitig von wohliger
Wärme umströmt. Meinen neu gewonnenen Wahrnehmungssinn hielt
ich unwillkürlich zurück und versuchte zu begreifen, was geschehen war.
Offenbar war mein Bewusstsein nicht zerstört worden. Im Gegenteil, ich
fühlte pulsierende Energie in mir. Und dann war da noch etwas, was ich als
Anhängsel empfand. Es schien, wie an einer kurzen Leine, untrennbar mit mir
verbunden. Ich konzentrierte mich und versuchte, dieses Ding telekinetisch
näher heranzuholen. Praktisch im gleichen Augenblick explodierte eine schier
unüberschaubare Menge an Daten und Fakten in mir. Erschrocken stieß ich
das Anhängsel zurück, das Wissensdepot. Es war also wirklich geschehen.
Alles war scheinbar planmäßig abgelaufen. Die Begleitumstände waren jedoch
anders gewesen, als ich sie mir vorgestellt hatte. Auf die Empfindungen und
Gefühle, die ich durchlebt hatte, hatte mich nichts und niemand vorbereiten
können.
Ich ließ einige Zeit verstreichen und ließ mich treiben. Schließlich siegte
meine Neugier. Ich wollte wissen, wo ich war und wann ich lebte. Im selben
Augenblick sagte ich mir, dass ich auf diese Fragen wohl vorerst keine Antwort
bekommen würde, wenn überhaupt jemals. Die Maschine hatte ihr Werk getan.
Ich existierte irgendwo und irgendwann, aber ich existierte. Und nur dies
zählte im Augenblick für mich. Ich fühlte mich, wie von einem schützenden
Kokon umgeben. Abgeschirmt von allen äußeren Einflüssen. Damit aber auch
abgeschnitten von Möglichkeiten, meinen aktuellen Status zu bestimmen. Ich
musste mich allmählich öffnen.
Ganz vorsichtig öffnete ich den Schild meines Bewusstseins ein wenig und
schloss ihn gleich darauf wieder. Ich hatte ein Chaos wahrgenommen. Dunkelheit
an sich, mit wilden Lichtblitzen darin und hier und dort etwas Farbe.
Ich versuchte, ruhig zu bleiben und überlegte. Dann fiel mir das Naheliegenste
ein: Ich taumelte durchs All! Die Maschine hatte mich irgendwo in einem
fremden Universum abgesetzt, irgendwo in einer sternenreichen Zone, in einer
Galaxie? Angesichts der verschwindend kleinen Anteile von mehr oder
weniger fester Materie in den bekannten Universen war das schon erstaunlich.
Die Wahrscheinlichkeit, in der Nähe von Sternen und vielleicht auch Planeten
aufzutauchen war ziemlich gering. Aber letztlich war es Fügung. Es hatte mich
gleich an einen Ort verschlagen, an dem etwas los war. Zu diesem Zeitpunkt
ahnte ich nicht, wie Recht ich mit dieser Einschätzung haben sollte.
Zunächst einmal war es wichtig, mich weiter zu orientieren und meine
Einflussmöglichkeiten auf meine Umgebung zu erkunden. Mutig öffnete ich
meinen Bewusstseinsschild gänzlich und ließ alle Eindrücke mit stoischer
Ruhe auf mich einstürmen.
Es war tatsächlich wie Sehen und gleichzeitig noch viel mehr. Zunächst
war da wieder dieses Chaos an Bewegung. Ich konzentrierte mich wie früher
auf meine telekinetischen Fähigkeiten und wirkte damit der Bewegung entgegen.
Zuerst erfolglos, dann aber immer wirksamer, reduzierte ich meine
kreisenden Bewegungen über die verschiedenen Drehachsen. Schließlich kam
das Bild vor mir zum relativen Stillstand. Jetzt konnte ich mich besser auf
meinen Wahrnehmungssinn konzentrieren. Es war überwältigend!
Wie soll man einem körperlichen Wesen, wie ich es einst selbst gewesen
war, die Empfindungen beschreiben, die ich jetzt hatte? Wie soll man erklären,
wie es ist, wenn man Licht schmeckt? Wenn man die verschiedenen Strahlungen
im All hört? Wie beschreibt man eine Sinfonie aus Strahlungen? Oder
die Wärme und die Kälte, die verschiedene Regionen des Alls ausströmen?
Und dann noch diese seltsamen Gefühle. Wandte ich meinen Geist in die
eine Richtung, dann empfand ich Frohsinn und Heiterkeit. Aus einer anderen
Richtung überkam mich ein Gefühl von Dunkelheit und Bedrohung. Meine
früheren Sinne schienen in einen einzigen allumfassenden Sinn zusammengeflossen
zu sein. Das von einem Lichtjahre entfernten Stern ausgesandte Licht
»sah« ich in der gesamten Breite seines Spektrums. Aber ich fühlte, hörte,
schmeckte und roch es auch. Ebenso erfasste ich es wie mit meinen vormaligen
psychischen Sinnen. Mir wurde bewusst, dass ich es nur den intensiven
Schulungen und Vorbereitungen in meiner Heimatwelt verdankte, dass ich
den auf mich einströmenden Empfindungen nicht erlag. Wesen, die nicht von
Geburt an mit diesem »allumfassenden Multisinn« ausgestattet sind, würden
sonst unweigerlich untergehen.
Trotz meiner Fähigkeit, mit all dem Neuen umzugehen, regulierte ich den
Umfang meiner Wahrnehmungen auf ein Maß herab, dass dem ziemlich nahe
kam, welches ich als körperliches Wesen gehabt hatte. Ich ließ zusätzlich nur
zu, dass diese Ahnungen von Bedrohung und Sicherheit und das »schmecken«
von Licht meinen Schirm durchdringen konnten. Ersteres von einem im Gegensatz
zu früher durchaus noch gesteigerten Selbsterhaltungstrieb diktiert
und Letzteres, weil es mir einfach Freude bereitete. Ich beschloss, mich mit
den vielen Teilaspekten meines neuen Multisinns langsam und schrittweise
vertraut zu machen. Ließe ich die Gesamtheit aller möglichen Empfindungen
weiterhin auf mich einströmen, würde ich mich – unerfahren wie ich
war – wahrscheinlich mit der Zeit überfordern. Zumindest wäre
meine Handlungsfähigkeit extrem eingeschränkt.
Handlungsfähigkeit, diese galt es jetzt auszutesten. Ich hatte es immerhin
schon geschafft, mein sich wild überschlagendes Selbst bei seinem taumelnden
Flug durchs All zu stabilisieren. Jetzt ging es darum sich zielgerichtet weiterzubewegen.
Es schien leichter zu sein, als ich befürchtet hatte. Ich dachte nur
daran, mich vorwärts zu bewegen und schon ging es voran, in Richtung auf einen
rötlich schimmernden Stern zu. Der Kurswechsel war vollzogen, schneller,
der Stern schien auf mich zuzuschießen. Langsamer, der Vorwärtsdrang ließ
abrupt nach und Euphorie überkam mich! Diese Art der Bewegung durch das
All schien mir die einzig Wahre zu sein. Der rötliche Stern, ich wollte sofort
bei ihm sein. Im nächsten Moment hatte ich bereits Lichtjahre übersprungen
und schwebte in unmittelbarer Nähe vor dem roten Riesen. Erschrocken hielt
ich inne. Gedankenschnelle bekam für mich eine völlig neue Perspektive.
Und da war noch etwas, ich fühlte Erschöpfung. Etwas hatte von der Energie
gezehrt, mit der die Maschine mein Bewusstsein aufgeladen hatte. Ich stellte
an mir selbst fest, dass auch reines Bewusstsein Energie verbrauchte, wenn
es sich bewegte. Verlegenheit überkam mich, ich hätte das wissen müssen.
Dies war ein Punkt, der mir in vielen meiner Schulungen vermittelt worden
war. Ein Abgesandter musste mit seinen Energien haushalten. Aber, ein Bewusstsein
konnte auch Energie aufnehmen. Ich rückte den roten Riesenstern
ins Zentrum meines Bewusstseins, öffnete meinen Multisinn und spürte die
Strahlungskomponenten auf, die mich kräftigen und stärken konnten. Ich ließ
zu, dass diese Strahlungen in mich drangen und verspürte umgehend eine
Steigerung meines Wohlbefindens, die mit dem Grad an Energiesättigung
einherging, den ich erreichte. Nebenbei bemerkt: Die Strahlung des roten
Überriesen schmeckte ziemlich bitter!
Als ich kurz vor dem Platzen war, schloss ich meinen Multisinn größtenteils
wieder. Ich hatte mir während der Energieaufnahme eine Strategie für
die nächste Zeit zurechtgelegt: Ich wollte ein wenig meine nächste Umgebung
erkunden und mich mit meinen »Flugkünsten« vertraut machen, dabei vielleicht
eine weitere Facette meines Multisinns ständig geöffnet lassen. Langsam
nahm mein Bewusstsein Geschwindigkeit auf. Nicht zu schnell, vielleicht ein
Lichtjahr pro Gedanke. Ich flog kreuz und quer durch das All, folgte mal einem
vollkommen spiralförmigen Kurs, legte im nächsten Moment eine Pause
bei diesem oder jenen interessanten Stern ein und schoss kurz darauf einer
schnurgeraden Linie folgend wieder davon – direkt auf einen Planeten oder
Mond zu.
War es Zufall, dass ich bei diesem Treiben schließlich auf eine Welt mit einer
Biosphäre stieß? Ein Planet mit zum überwiegenden Teil aus Kohlendioxid
und Wasserdampf bestehender, aufgewühlter Atmosphäre! Graue und braune
Farbtöne herrschten vor und ließen diese Welt aus dem All betrachtet nicht
sonderlich attraktiv wirken. Doch ich fühlte unter der brodelnden Atmosphäre
wildes, ungebändigtes Leben. Ich tauchte in das atmosphärische Chaos ein.
Völlig unbehelligt von den Naturgewalten erreichte mein Bewusstsein schnell
die feste Oberfläche dieser Welt. Wenn auch kaum ein Sonnenstrahl den Weg
durch die allzu dichte Atmosphäre des Planeten bis hier her fand – mein fantastischer
Multisinn erfasste die nächste Umgebung in allen Einzelheiten. Eine
Facette dieses Sinns regulierte die Intensität, mit der ich Licht wahrnahm. Ich
spielte ein wenig mit ihr herum und beließ den Pegel dann auf einem Niveau,
das sich biologischen Augen als ein lichtdurchflutetes Umfeld dargestellt hätte.
Dann sah ich mich um.
Der an sich steinige Boden war von so etwas wie einem dicken, tierischen
Pelz überzogen. An vielen Stellen schien dieser Überzug zu zucken und ich
schwebte neugierig näher. Dabei bemerkte ich, dass überall um mich herum,
fast durchsichtige, madenähnliche Wesen in der Luft schwebten. Immer wieder
berührten einzelne davon den Boden. Kaum trafen sie dort auf den, den
Boden überziehenden Organismus, öffnete dieser blitzschnell seine Oberfläche
und verspeiste die unglücklichen Maden. Dass es sich hierbei um eine Art der
Nahrungsaufnahme handelte, zeigte mir eine weitere Facette meines Multisinns
auf drastische Weise. Bei der Gelegenheit stellte ich fest, dass auch ein
reines Bewusstsein noch Übelkeit empfinden konnte. Bevor mehr von dem
eben miterlebten – und mitempfundenen – Verdauungsprozess auf mich eindringen
konnte, schloss ich schnell diese Facette meines Multisinns und glitt
weiter über die Oberfläche des Planeten.
Nach einiger Zeit veränderte sich die Landschaft. Die Oberfläche war bald
nicht mehr von jenem riesigen Organismus überzogen, seine Ausbreitung
endete abrupt am Ufer eines schlammigen Meeres. Dessen trübes und brackiges
Wasser befand sich in fast ebensolchen Aufruhr wie die Atmosphäre des
Planeten. Ich nahm an, dass die drei Monde des Planeten mit ihren auf das
Wasser einwirkenden Gezeitenkräften nicht ganz unschuldig an dem Toben
waren. Während ich fasziniert über die schlammigen Wellen glitt, bemerkte
ich über eine weitere Facette meines Multisinns so etwas wie eine rudimentäre
Intelligenz, die ganz in der Nähe sein musste. War dies an sich schon erstaunlich,
so erschreckte mich die Erkenntnis, dass jemand – oder etwas – meine
Anwesenheit bemerkt zu haben schien. Verwirrt hielt ich inne: Intelligentes
Leben, hier? Warum nicht? Aber wo? Und vor allem – wie konnte es mich,
der ich doch nur noch reines Bewusstsein war, entdecken?
In diesem Augenblick drang der riesige Schädel eines monströsen Wesens
aus einem Wellental hervor. Suchend schwenkte sich der Kopf mit seinen vier
grün glühenden Augen umher. Ich hielt gebannt meine Position. Dann fuhr
ich erschrocken zurück. Der Kopf des Wesens schoss, von einem langen muskulösen
Hals getragen und mit aufgesperrtem Rachen, genau auf mich zu. Das
klaffende Maul des Wesens schnappte zu und fasste ins Leere. Dann glitt der
Kopf wieder zurück bis auf die Wasseroberfläche, wurde unwillig geschüttelt
und wandte sich wieder in meine Richtung. Hätte ich noch einen Körper und
Organe besessen, so hätte mein Herz mir jetzt bis zum Hals hinauf geschlagen.
Ich musste endlich meine Furcht vor den Dingen überwinden, die mir nichts
mehr anhaben konnten.
Und so unternahm ich noch ein Experiment. Ich glitt wieder näher auf den
Kopf des Wesens zu. Dabei schien es mir, als würde sich das Glühen in den
Augen der Kreatur steigern. Ich wandte mich nach links. Nach nur einem Moment
folgten seine Augen meiner Bewegung. Ich wandte mich nach rechts und
glitt leicht in die Höhe. Und wieder, nach nur einem kurzen Zögern, vollzog
der Schädel des Wesens die Bewegung nach. Es starrte nun wieder von unten
hinauf zu mir und öffnete leicht den Rachen. Fast erwartete ich eine weitere
Attacke, da tauchte der Kopf in den stürmischen Fluten unter. Ihm folgten,
kurz aus dem Wasser auftauchend, der lange Hals und dann der riesige Rest des
Körpers. Eine unglaubliche Masse aus Fleisch mit unzähligen Flossen sowie
einem mächtigen Ruder, beziehungsweise einer Schwanzflosse. Was für eine
Kreatur! Und nicht nur, dass sie über eine rudimentäre Intelligenz verfügte,
sie schien auch psionisch begabt. Mit einem zusätzlichen Sinn ausgestattet,
der es ihr gestattete, mein Bewusstsein auf irgendeine Weise wahrzunehmen.
Ich war erstaunt und zugleich ein wenig beunruhigt. Ich hatte nicht erwartet,
dass ich so kurz nach meiner Ankunft in diesem Universum auf etwas stoßen
würde, vor dem ich meine Anwesenheit nicht verbergen konnte. Vorerst jedoch
beschloss ich, diesen Vorfall als einen Zufall anzusehen.
Nun hatte ich genug von diesem Planeten und durchstieß in Sekunden
dessen Atmosphäre, erreichte das freie All und schoss wieder mit zunehmender
Geschwindigkeit durch das Sternenmeer. Die Sterne, überall um mich
herum strahlende Leuchtfeuer im All. Für jemanden, der aus einem sterbenden
Universum mit nur noch wenigen aktiven Sternen kam, war dies hier
ein Paradies und ein Ort sinnlicher Freude. Ich kostete von den Strahlungen
verschiedener Sonnen und lauschte der Sinfonie aus Klängen, mit der die
Sternenfeuer meinen Multisinn zum Klingen brachten. Dies Spiel trieb ich
eine ganze Weile. Dann wurde mir bewusst, dass ich mich die ganze Zeit in
Richtung auf die gefahrlos erscheinenden Regionen des Alls zu bewegt hatte.
Eigentlich ganz natürlich, aber nicht unbedingt eines Abgesandten würdig.
Außerdem, was war es eigentlich, vor dem mein Multisinn mich zu warnen
schien. Ich wurde sehr neugierig. Dann richtete ich meinen Kurs auf eines der
Gebiete aus, die meinem Multisinn Unbehagen bereiteten und öffnete mich
wieder weiter. Es blieb bei einer diffusen Ahnung von Gefahr. Ich unterdrückte
das Drängen in meinem Inneren, mich in eine andere Richtung zu wenden.
Stattdessen beschleunigte ich in Richtung auf jenes Raumgebiet zu,
welches ich eigentlich meiden wollte.
Es ging zunächst vorbei an etlichen normal erscheinenden Sternen in
Richtung auf einen düster glimmenden Materienebel zu. Näher kommend
erkannte ich die einzelnen Sonnenfeuer in diesem Gebiet mit hoher Partikeldichte.
Es handelte sich durchweg um rot leuchtende Überriesen, die diesen
Nebel mit ihrem bedrohlich wirkenden Licht überfluteten. Mein Multisinn
ließ mich diesen Nebel jedoch nicht als den Ausgangspunkt der Bedrohung
erkennen. Weiter! Eine kleine Singularität tauchte mitten im Raum und weit
entfernt von jeder Sonne auf. Das winzige, schwarze Loch im Raum zerrte an
meinem Bewusstsein. Doch ich hatte keine Schwierigkeiten und glitt, leicht gegensteuernd, an dem alles verschlingenden, kleinen Ungeheuer vorbei. Da die
Singularität weit entfernt von größeren Energie- und Materienansammlungen
im Raum stand, machte sie fast nicht auf sich aufmerksam. Kein Ring von
zerstörter Materie oder angesogenen Energien rund herum. Kein Aufleuchten
zerfallender Teilchen oder unter dem ungeheuren Druck implodierender
Materie beim Eintritt in den Ereignishorizont. Es gab hier einfach nicht viel,
was dieses Monstrum im Raum in sich hineinsaugen konnte. So stand es hier
mitten im All und wartete auf ahnungslose Reisende. Wehe dem, der nicht mit
einem Sinn für diese Gefahr oder der entsprechenden Technik, um diese zu erkennen,
ausgestattet war. Einmal zu nah herangekommen, gab es keine Option
für ein Entkommen mehr. Ob ein reines Bewusstsein den Durchgang durch
den Ereignishorizont einer Singularität überstehen konnte? Müßige Spekulationen! Als Ursache für das Gefühl der Bedrohung aus diesem Raumsektor kam
die Singularität jedenfalls auch nicht in Betracht. Ich wurde ungeduldig. Und
da mir die Entfernung zur Ursache meines Unbehagens noch zu groß erschien,
beschloss ich, die Geschwindigkeit weiter zu erhöhen und machte einen Fehler.
Ich konzentrierte mich auf den etwas weiter entfernten Lichtpunkt eines Sterns
und wollte eigentlich auf ihn zu beschleunigen. Im nächsten Augenblick war
ich allerdings schon bei ihm. Am Rande meines Bewusstseins nahm ich noch
wahr, dass es sich um einen gelb strahlenden Durchschnittsstern handelte,
da befand ich mich auch schon im größten Chaos. Ich war mitten in einer
Raumschlacht gelandet.

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